Ein mächtiges Instrument für das Projekt-Controlling ist die Earned Value Analysis (EVA). Die Termin- und Kostensituation eines Projektes zu einem Zeitpunkt x wird dabei durch folgende Kennzahlen beschrieben.

  • Plan-Wert (PVx - geplanter Wert für den Kunden zum Zeitpunkt x)
  • Ist-Kosten ( ACx gemessene Projektkosten zum Zeitpunkt x)
  • Fertigstellungswert (EVx gemessener Wert für den Kunden zum Zeitpunkt x)

Durch die Verfolgung dieser Kennzahlen kann eine Trendanalyse erstellt werden, die hauptsächlich in Wasserfall-Projekte verwendet wird, aber auch für agile Projekte eine interessante Fortschrittskontroll-Möglichkeit darstellt, wie wir später sehen werden.
Nachfolgend ein Beispiel eines EVA-Diagramms.

earned value analysis en

Ausgangslage für die EVA ist die finanzielle Schätzung des Projektumfangs respektive der daraus resultierenden Arbeitspakete wie sie zum Beispiel in einer Work Breakdown Structure (WBS) geplant werden. Jeder dieser Arbeitspakete oder Tasks werden die Kosten zugeordnet. Die Summe dieser Kosten wird als „Planned Value“ (PV) bezeichnet, weil sie den eigentlichen Wert der Arbeit darstellen.

Im Projekt Verlauf werden die Arbeitspakete oder Tasks abgearbeitet und abgeschlossen. Dabei wird aus dem geplanten Wert der Fertigstellungswert (Earned Value EV) ermittelt, indem man zum Beispiel

  • 100% EV bucht, wenn die Task abgeschlossen ist (vorsichtiger Ansatz)
  • 100% EV bucht, wenn die Task begonnen wird (optimistischer Ansatz)
  • 50% EV zu Beginn und 50% beim Abschluss bucht (ausgewogener Ansatz, mit Mehraufwand verbunden, da 2 mal gebucht wird)

Da der EV nicht unbedingt mit dem PV synchron ist, ergeben sich zwei Kurven (blau und rot dargestellt). Daneben werden auch die realen Kosten (actual costs, AC) im Projekt erfasst (grüne Linie).

Mit diesen drei Werten kann man eine Menge über den Projektverlauf aussagen und folgende KPI berechnen. Dabei ist wichtig, dass die Zahlen zum selben Projektzeitpunkt (bspw. Ende Monat) verglichen werden.

Planabweichung (Schedule Variance, SV).

Die Planabweichung (SV) zum Zeitpunkt x errechnet sich folgendermassen

SVx = EVx - PVx

Ist der SVx grösser als Null, heisst dies, dass das Projekt dem Plan vorausläuft, der Fortschritt also grösser ist als ursprünglich geplant. Umgekehrt bedeutet ein negativer SVx, dass das Projekt dem Plan hinterherhinkt.
Anstatt eines absoluten KPI, kann man auch einen relativen Index (Schedule Variance Index, SPI) verwenden, welchen die Termineffizienz darstellt.

SPIx = EVx / PVx

Ein Wert grösser 1 (oder 100%) bedeutet, dass das Projekt dem Plan voraus ist. Darunter ist man im Verzug. Der Vorteil dieses KPI liegt darin, dass er sehr gut für das Status Reporting geeignet ist (bspw. das Projekt ist grün, wenn sich der SPIx Wert zwischen 95% und 105% bewegt). Somit kann sichergestellt werden, dass alle Projekte in einem Portfolio demselben Bewertungskriterium folgen.

Kostenabweichung (Cost Variance, CV)

Die Kostenabweichung berechnet die Differenz zwischen dem Fertigstellungswert (EVx) und den Ist-Kosten (ACx) und zeigt auf ob das Projekt über oder unter Budget verläuft.

CVx = EVx – ACx

Ist dieser Wert kleiner Null bedeutet, dass das Projekt über Budget läuft, darunter dass mehr Wert mit weniger Kosten geliefert wird und das Projekt somit unter Budget ist. Zu beachten ist, dass diese Kennzahl nicht den Planungswert in die Kalkulation einfliessen lässt, sondern sich nur auf die tatsächlich gelieferten Fakten bezieht. Dem Fertigstellungsgrad in Relation zu den aktuellen Kosten. In vielen Kontroll-Systemen wird mit den geplanten Kosten verglichen (Forecast), was auch eine Möglichkeit ist aber die gelieferten Leistungen nicht miteinbezieht. Der KPI wäre in diesem Fall die Forecast Variance (FVx).

FVx = PVx - ACx

Wenn in einer Organisation die Kosten nur nach erfolgtem Wareneingang auf ein Projekt gebucht werden, ist diese Vorgehensweise gar nicht so schlecht, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Sie zeigt an, ob das Projekt über oder unter Budget ist und ob vielleicht Fehleinschätzungen bezüglich der Kostenplanung gemacht wurden, welche natürlich auch einen Einfluss auf den erwarteten Projektfortschritt haben können.

Da man aber in der Earned Value Analysis den EVx sowieso bestimmt, sollte man auch auf diesen zurückgreifen. Analog der Fertigstellungseffizienz gibt es auch bei der Kostenabweichung ein relativer KPI, die Kosteneffizienz (CPI).

CPIx = EVx / ACx

Dieser KPI misst den Wert der geleisteten Arbeit gegen die Ist-Kosten. Ein Wert grösser als 1 deutet auf eine Kostenersparnis im Projekt hin, auf der anderen Seite weist ein Wert kleiner als 1 darauf, dass sich das Projekt teurer entwickelt als geplant. Analog kann man auch den PVx anstatt des EVx nehmen.

Vorteile / Nachteile

Die Methode hat die Vorteile, dass die Projektfortschritts-Kontrolle auf messbare und objektive Kriterien beruht. Damit ist auch gewährleistet, dass Projekte bezüglich Kosten- und Termintreue untereinander vergleichen lassen, was innerhalb eines Portfolios überaus wichtig ist. Da die KPI über mehrere Perioden gesammelt werden, lassen sich auch bessere Prognosen bezüglich Endtermin und –kosten herleiten.

Allerdings ist die Implementierung der Earned Value Analysis überaus aufwändig. Die Kosten müssen entsprechend der Work Breakdown Structure (WBS) geplant und gebucht werden, was oft die Möglichkeiten des Buchungssystem (und auch des Projektmanagers) übersteigt. Verträge mit externen Lieferanten erstrecken sich oft über mehrere Tasks und müssten detaillierter verfolgt werden als dies üblicherweise der Fall ist. Aus diesem Grund scheitern Implementierungsversuche sehr oft.
Implementierung der Earned Value Analysis bei Agilen Projekten.

Eine Möglichkeit der Vereinfachung der Methode für die Implementierung ist sich nicht auf einzelne Tasks zu beziehen, sondern auf Meilensteine. Meilensteine stellen oft den Abschluss von Projektphasen und somit auch der darin enthaltenen Arbeitspakete. Der geplante Wert einer Projektphase entspricht daher auch den Kosten, die für die Erreichung des Meilensteins geplant wurden.

Der PV umfasst alle Kosten zwischen dem letzten und dem nächsten Meilenstein. Ebenso der EV, welcher als erreicht gilt, wenn der Meilenstein abgeschlossen ist. Die aktuellen Kosten (AC) sollten aus dem Finanz-System jederzeit ermittelbar sein.
Hat man allerdings wenige Meilensteine geplant, wird die EVA zu grob und liefert wenig Anhaltspunkte im Projekt-Controlling.

Anders ist es hingegen für agile Projekte, wo jeder Sprint und/oder Release als Meilenstein angesehen werden kann. Für unsere EVA Kennzahlen bedeutet dies.

  • PV (Sprint) = Projekt Budget (exklusive Aufwand für Projekt Initiierung und Abschluss) geteilt durch Anzahl geplanter Sprints
  • EV (Sprint) = PV (Sprint) x Erfüllungsgrad (Sprint)
  • AC (Sprint) = gemessene Kosten im Sprint

EVA for Scrum en

Die Kosteneffizienz ergibt sich im Vergleich des geplanten Sprint-Kosten mit dem aktuell erreichten Fertigstellungsgrad am Ende des Sprints.

Da Sprints immer gleich lang dauern ist die Planabweichung differenzierter zu betrachten. Ein Wert unter 100% (oder 1) bedeutet, dass sich das Team überschätzt hat, ein Wert darüber ist theoretisch nicht möglich, ausser das Team hat sich entschlossen noch einen Story Point aus dem Back Log in den Sprint zu übernehmen, was allerdings unüblich ist. In der Praxis wird man jedoch mit einem Wert unter 100% beginnen und versucht sich durch ständige Verbesserung der Aufwand-Schätzungen an die 100% Termineffizienz anzunähern

Da es ausreicht die aktuellen Kosten hier auf Sprint-Gesamtebene (und nicht auf Task) zu erfassen, kann die EVA für agile Projekte dadurch wesentlich einfacher implementiert werden als für klassische Wasserfall-Projekte.

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